Ursachen von Cybermobbing
- Julia Metzler
- 27. Dez. 2024
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. März

Cybermobbing stellt eine ernsthafte Bedrohung für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen dar. Durch die allgegenwärtige Nutzung digitaler Medien sind die Formen und Auswirkungen von Mobbing in sozialen Netzwerken komplexer geworden. Dieser Beitrag beleuchtet aktuelle Erkenntnisse zu den Ursachen von Cybermobbing.
Was ist Cybermobbing?
Cybermobbing bezeichnet die wiederholte und absichtliche Belästigung oder Ausgrenzung von Personen über digitale Kommunikationsmittel. Im Gegensatz zum traditionellen Mobbing ermöglicht das Internet eine anonyme und grenzenlose Verbreitung von Inhalten, was die Auswirkungen verstärken kann. Online-Mobbing betrifft oft Jugendliche, die über soziale Medien und Messenger-Dienste in den Fokus geraten. Die Gefahren von Cybermobbing werden durch die ständige Erreichbarkeit und die schnelle Verbreitung von Inhalten noch verstärkt.
Ursachen von Cybermobbing
1. Anonymität im Internet als Ursache für Cybermobbing
Die Anonymität im Internet reduziert das Verantwortungsbewusstsein der Täter und kann dazu führen, dass sie sich in ihrem Verhalten weniger gehemmt fühlen. Anders als im realen Leben, wo es eine unmittelbare Reaktion auf ihr Verhalten gibt – wie etwa die Körpersprache des Betroffenen oder eine direkte soziale Rückmeldung – gibt es im Internet kaum Konsequenzen für aggressives Verhalten. Das Gefühl der Enthemmung in digitalen Räumen ermöglicht es den Tätern, sich zu entfalten und negative, oft beleidigende, Kommentare zu hinterlassen. Diese Anonymität ist ein wesentlicher Treiber für Online-Mobbing und die Verbreitung von Cybermobbing. Studien zeigen, dass die Scham- und Verantwortungsgefühle der Täter im digitalen Raum viel schwächer ausgeprägt sind, was zu einer Zunahme von Cybermobbing in sozialen Netzwerken führt.
In einer Studie der HBSC 2022 wurde festgestellt, dass Jugendliche, die sich anonym im Internet bewegen, häufiger zu Mobbing neigen, als dies in face-to-face Interaktionen der Fall wäre. Diese anonyme Kommunikation begünstigt aggressives Verhalten und verstärkt die negativen Auswirkungen von Cybermobbing.
2. Fehlende nonverbale Kommunikation als Verstärker von Cybermobbing
Ein weiterer wichtiger Faktor für Cybermobbing ist das Fehlen nonverbaler Kommunikation. In der realen Welt können Körpersprache, Mimik und Tonfall dabei helfen, Missverständnisse zu klären und Konflikte zu entschärfen. Im digitalen Raum jedoch fehlen diese Signale vollständig. Texte oder Bilder können leicht missverstanden werden, insbesondere wenn sie ohne den Kontext oder die Tonalität der Kommunikation interpretiert werden. Beleidigungen, die im persönlichen Gespräch vielleicht entschärft werden, können in digitalen Medien verheerende Folgen haben.
Cybermobbing wird oft durch scheinbar harmlose Nachrichten oder Bilder ausgelöst, die jedoch von den Betroffenen als sehr verletzend wahrgenommen werden. Fehlen also diese nonverbalen Hinweise, wird die Kommunikation anfälliger für Missverständnisse, und die Grenzen zwischen harmlosen Streitereien und Mobbing verschwimmen leicht. Diese Dynamik kann die Schwere und Häufigkeit von Cybermobbing begünstigen.
3. Gruppenzwang in sozialen Netzwerken als Ursache von Cybermobbing
Soziale Netzwerke und digitale Plattformen bieten einen Raum, in dem Peer-Gruppen und Gruppenzwang eine bedeutende Rolle spielen. Der Druck, sich einer Gruppe anzupassen und deren soziale Normen zu folgen, kann dazu führen, dass Individuen in das Mobbing von anderen hineingezogen werden, um nicht aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden. Besonders in Plattformen wie Facebook, Instagram und TikTok, wo das Teilen von Inhalten und die Sichtbarkeit von Gruppenmitgliedern eine große Rolle spielen, kann der Wunsch nach Anerkennung durch Gruppenzwang dazu führen, dass Jugendliche sich aktiv an Cybermobbing beteiligen oder es stillschweigend tolerieren.
Viele Jugendliche, die sich dem Gruppenzwang beugen, fühlen sich durch die Zustimmung der Gruppe unterstützt und glauben, dass sie keine Konsequenzen zu befürchten haben. Hier spielt die Dynamik der sozialen Medien eine Rolle, da sie den gesellschaftlichen Druck verstärken können, bestimmte Normen und Verhaltensweisen zu akzeptieren oder nachzuahmen, selbst wenn sie Mobbing und Ausgrenzung umfassen.
4. Medienkonsum und Gewaltakzeptanz als Ursache von Cybermobbing
Der Konsum von gewalthaltigen Medieninhalten kann die Wahrnehmung von Gewalt und Mobbing in der realen Welt verzerren und die Bereitschaft fördern, solches Verhalten zu normalisieren. Junge Menschen, die regelmäßig gewalttätige Filme, Serien oder Videospiele konsumieren, sind eher geneigt, aggressives Verhalten als akzeptabel oder sogar unterhaltsam zu empfinden. Diese Medien haben eine erhebliche Wirkung auf die Einstellungen der Jugendlichen und können dazu führen, dass sie Cybermobbing als weniger schädlich wahrnehmen.
Studien zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Medienkonsum und Mobbing insbesondere bei der Wahrnehmung von digitale Gewalt und aggressivem Verhalten im Netz eine wichtige Rolle spielt. Wenn Jugendliche in einer Welt aufwachsen, in der Gewalt und Aggression häufig als Teil der Unterhaltung gezeigt werden, sinkt die Hemmschwelle, solche Verhaltensweisen im echten Leben zu reproduzieren. Die Normalisierung von Mobbing und digitaler Gewalt in der Medienlandschaft trägt somit zur Zunahme von Cybermobbing bei.
5. Unzureichende Medienkompetenz
Ein wichtiger Aspekt in der Prävention von Cybermobbing ist das Verständnis und der richtige Umgang mit digitalen Medien. Viele Jugendliche verfügen nicht über die notwendigen Medienkompetenzen, um sich sicher in der digitalen Welt zu bewegen. Sie wissen oft nicht, wie sie sich gegen Online-Belästigungen schützen oder welche rechtlichen Schritte sie bei Cybermobbing unternehmen können. Ohne ausreichende Aufklärung und Schulung fällt es vielen schwer, sich gegen Cybermobbing zu wehren.
Die mangelnde Medienkompetenz gegen Cybermobbing begünstigt, dass Jugendliche unkritisch und ohne Vorsicht ihre Informationen und persönlichen Daten im Netz teilen, was sie anfällig für Mobbing in sozialen Netzwerken macht. Der nicht informierte Umgang mit digitalen Plattformen führt zudem dazu, dass sie Cybermobbing oft erst viel zu spät bemerken oder nicht wissen, wie sie mit den Auswirkungen umgehen sollen.
6. Schnelle Verbreitung von Inhalten
Im digitalen Zeitalter verbreiten sich Informationen unglaublich schnell. Was in der realen Welt vielleicht ein lokales Problem bleibt, kann online in Sekundenschnelle verbreitet werden und eine viel größere Reichweite erzielen. Diese schnelle Verbreitung von Mobbing-Inhalten macht es für Betroffene schwieriger, der Situation zu entkommen. Ein beleidigendes Bild oder ein verletzender Kommentar kann durch die sozialen Netzwerke rasch verbreitet und von einer breiten Öffentlichkeit gesehen werden. In vielen Fällen geht es weit über das hinaus, was ein Betroffener offline erleben könnte.
Da Inhalte im Internet oft dauerhaft sind, kann der Schaden, den Cybermobbing anrichtet, lange anhalten. Negative Erfahrungen können immer wieder hervorgeholt und erneut verbreitet werden. Die digitale Unsichtbarkeit der Täter verschärft das Gefühl der Hilflosigkeit bei den Betroffenen und verstärkt die Auswirkungen von Cybermobbing.
Persönliche Motive der Täter: Warum wird jemand zum Cybermobber?
Neben gesellschaftlichen und technologischen Faktoren gibt es auch individuelle, psychologische Gründe für Cybermobbing. Die Literatur zeigt, dass Täter oft persönliche Motive haben, die sie zu ihrem Verhalten treiben. Studien von Katzer (2023) und Schmidt & Hoffmann (2022) identifizieren mehrere zentrale Motive für Cybermobbing-Täter:
Rache als Motivation für Cybermobbing
Ein häufiges Motiv ist Rache. Manche Täter fühlen sich in der Vergangenheit ungerecht behandelt, gedemütigt oder selbst gemobbt und nutzen das Internet, um es „heimzuzahlen“. Diese Form des Cybermobbings als Vergeltung kann sich gegen eine Einzelperson oder eine ganze Gruppe richten. Studien zeigen, dass Täter, die aus Rache handeln, oft selbst vorherige Opfer waren.
Laut der HBSC-Studie 2022 geben etwa 20 % der Täter an, dass sie sich durch ihr Handeln für erlebte Ungerechtigkeiten rächen wollen. Diese Täter sehen Cybermobbing nicht als bösartiges Verhalten, sondern als eine Art von „gerechter Strafe“ für vergangene Kränkungen.
Neid und Eifersucht als Ursache für Cybermobbing
Neid ist eine weitere häufige Ursache für Cybermobbing. Besonders in sozialen Netzwerken, in denen sich Menschen oft von ihrer besten Seite präsentieren, kann Neid entstehen. Wenn jemand als beliebter, erfolgreicher oder attraktiver wahrgenommen wird, kann dies Aggressionen auslösen.
Soziale Vergleiche in sozialen Netzwerken verstärken dieses Gefühl. Täter versuchen, das Selbstwertgefühl der Betroffenen zu untergraben, indem sie sie öffentlich demütigen oder Gerüchte über sie verbreiten.
Machtstreben und Dominanz als Motivation für Cybermobbing
Ein weiterer wichtiger Faktor ist das Streben nach Macht und Kontrolle. Cybermobber genießen es, andere Menschen zu verletzen, und fühlen sich überlegen, wenn sie Kontrolle über die Betroffenen zu haben. Diese Täter empfinden Befriedigung dabei, ihre Dominanz über andere zu demonstrieren.
Hier spielt oft auch das Gruppengefühl eine Rolle: In Online-Gruppen oder Chatverläufen kommt es vor, dass einzelne Personen als Zielscheibe für Spott und Angriffe genutzt werden, um das eigene Ansehen innerhalb der Gruppe zu stärken. Dieses Verhalten ist besonders bei Jugendlichen ausgeprägt, die ihren sozialen Status durch Cybermobbing verbessern wollen.
Langeweile und fehlendes Mitgefühl als Cybermobbing-Treiber
Ein überraschender, aber dennoch häufiger Grund für Cybermobbing ist Langeweile. Täter sehen Mobbing im Internet als eine Art „Spiel“, ohne sich der emotionalen Auswirkungen bewusst zu sein. In Online-Foren oder Gruppen-Dynamiken kann sich eine Art „Mobbing-Kultur“ entwickeln, in der es normalisiert wird, sich über andere lustig zu machen.
Laut Katzer (2023) neigen Menschen mit einem geringen Empathievermögen eher zu Cybermobbing, weil sie sich nicht in die Gefühle ihrer Opfer hineinversetzen können. Besonders in anonymen Online-Umgebungen fehlt oft das Bewusstsein für die Konsequenzen des eigenen Handelns.
Gruppenzwang und sozialer Druck als Ursache für Cybermobbing
Viele Täter handeln nicht allein, sondern im Rahmen einer Gruppe. Cybermobbing in Gruppen wird oft durch sozialen Druck verstärkt. Wer nicht mitmacht, läuft Gefahr, selbst zum Außenseiter zu werden.
Besonders bei Jugendlichen ist der Wunsch nach sozialer Zugehörigkeit groß, und wenn Mobbing in einer bestimmten Peer-Gruppe akzeptiert ist, fühlen sich viele verpflichtet, sich zu beteiligen.
Fehlendes Bewusstsein für die Konsequenzen von Cybermobbing
Manche Täter erkennen gar nicht, dass ihr Verhalten als Cybermobbing wahrgenommen wird. Sie sehen verletzende Kommentare oder ironische Bemerkungen als „harmlosen Spaß“, ohne die langfristigen psychischen Folgen für die Opfer zu bedenken.
Hier zeigt sich die Bedeutung von Medienkompetenz: Viele Jugendliche wissen nicht, welche psychologischen Auswirkungen ihr Verhalten auf andere hat oder dass Cybermobbing strafrechtliche Konsequenzen haben kann.
Fazit - Ursachen von Cybermobbing
Cybermobbing ist ein ernstes gesellschaftliches Problem, das durch die zunehmende Digitalisierung und die ständige Verfügbarkeit sozialer Medien immer weiter zunimmt. Die Hauptursachen für Cybermobbing sind die Anonymität im Internet, das Fehlen nonverbaler Kommunikation, Gruppenzwang, die Normalisierung von Gewalt in Medien, mangelnde Medienkompetenz und die schnelle Verbreitung von Inhalten.
Um Cybermobbing zu bekämpfen, sind gezielte Präventionsstrategien gegen Cybermobbing erforderlich. Schulen, Eltern und die Gesellschaft müssen gemeinsam daran arbeiten, junge Menschen über die Risiken aufzuklären und ihnen zu helfen, sich aktiv gegen digitale Gewalt zu schützen.
Hinweis: Wenn du an Depressionen leidest, zögere nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gibt zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten, die dir helfen können, diese schwierige Zeit zu überwinden. Wende dich an deinen Hausarzt oder eine Beratungsstelle, um den ersten Schritt in Richtung Hilfe zu gehen. Du bist nicht allein.
In Deutschland erreichst du die Telefonseelsorge unter der Nummer 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 – rund um die Uhr, anonym und kostenlos.
Quellen:
Fischer, S. M., & Bilz, L. (2024). Mobbing und Cybermobbing an Schulen in Deutschland: Ergebnisse der HBSC-Studie 2022 und Trends von 2009/10 bis 2022. Journal of Health Monitoring, 1/2024.Online verfügbar unter: rki.de
Katzer, C. (2023). Cybermobbing: Digitale Gewalt pädagogisch überwinden. Kohlhammer Verlag.
Schmidt, J., & Hoffmann, M. (2022). Digitale Gewalt und ihre Folgen: Cybermobbing und soziale Medien im Jugendalter. Springer Verlag.
Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) (2023). Cybermobbing und digitale Gewalt: Hintergründe, Prävention und rechtliche Maßnahmen.Online verfügbar unter: bpb.de
Ditch the Label (2023). Annual Cyberbullying Report 2023: Insights into Online Harassment.Online verfügbar unter: ditchthelabel.org
Barmer Gesundheitsreport (2022). Psychische Auswirkungen von Cybermobbing: Statistiken und Präventionsansätze.Online verfügbar unter: barmer.de